- Polen unter den Piasten \(960 bis 1386\): Katholische Bastion im Osten
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Ihren Namen leiten die Polen vom westslawischen Stamm der Polanen (eigentlich »Feldbewohner«) her. Die Siedlungsschwerpunkte der Polanen lagen im 9. und 10. Jahrhundert an der mittleren Warthe um Posen und Gnesen. Das Stammesgebiet der Polanen umfasste die Kernzone des großpolnischen Territoriums. Unter dem Herrschergeschlecht der Piasten entwickelte es sich zur territorialen Basis eines Staatsgebildes, das noch im 10. Jahrhundert bis zur Odermündung und nach Pommern ausgriff, in nordöstlicher Richtung kujawische und masowische Gebiete einbezog und sich im Süden in Konkurrenz zum böhmischen Nachbarn über Schlesien und das Stammesgebiet der Wislanen (Kleinpolen um Krakau) ausdehnte.Entstehung des polnischen StaatesÜber Herkunft und Vorgeschichte der einzelnen altpolnischen Stämme, die der erste historisch fassbare Piastenfürst Mieszko (um 960—992) unter seiner Herrschaft vereinigte, sind wir nur sehr lückenhaft unterrichtet. Die wenigen Anhaltspunkte reichen nicht aus, um die Fragen nach der Urheimat der Slawen und der zeitlichen Abfolge ihrer Wanderungsbewegungen zu beantworten.Mieszko zog bei der Ausweitung seines Herrschaftsgebietes Vorteile aus der günstigen geographischen Lage. Im südlichen Einzugsbereich alter Handelsniederlassungen an der Ostseeküste profitierte er vom lukrativen Küstenhandel wikingischer Kaufleute und im Binnenland kontrollierte er die Handelsrouten, die über Magdeburg und den bayerisch-böhmischen Raum das westliche Europa mit dem Kiewer Russland und den vorderasiatischen Handelsplätzen verbanden. Er verstand es, sich durch die rechtzeitige Bekehrung zum Christentum 966 dem drohenden Zugriff des Heiligen Römischen Reiches zu entziehen, dessen Kaiser er vorübergehend als Oberherrn anzuerkennen hatte und dem er seit 972 für das Land bis zur Warthe Tribut entrichtete.Kurz vor seinem Tode übereignete er in einem klugen Schachzug das neu bekehrte Land dem Heiligen Stuhl. Die Gunst des Papstes ermöglichte seinem Nachfolger Boleslaw I., dem Tapferen (polnisch Chrobry), den Aufbau einer eigenständigen polnischen Kirchenorganisation. 968 war zunächst ein Missionsbistum in Posen eingerichtet worden. Im März 1000 machte Kaiser Otto III. im Einvernehmen mit Papst Silvester II. den Weg frei für eine eigene Kirchenprovinz um das Erzbistum Gnesen. Die Entscheidung fiel während der Pilgerreise des Kaisers nach Gnesen zum Grab des Prager Bischofs Adalbert, der 997 im Prußenland den Märtyrertod erlitten hatte und in der Residenz des Polenherrschers begraben worden war. Im Akt von Gnesen erkannte Otto III. gleichzeitig seinem »Bruder und Helfer des Reiches« Boleslaw einen Ehrenrang zu.Polen und das ReichDie polnischen Piasten teilten mit dem Kaiser den Kult um Adalbert und die Sorge um die Verbreitung des christlichen Glaubens. Zumal nach dem großen Slawenaufstand des Jahres 983 hatten sie sich mehrfach gemeinsamen Unternehmungen gegen die heidnischen Ostsee- und Elbslawen angeschlossen. Streitigkeiten um die Abgrenzung der beiderseitigen Machtbereiche blieben nicht aus. Sie führten nach dem frühzeitigen Tode Ottos III. zu mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Heinrich II. um den Besitz Böhmens, der Mark Meißen und der Lausitz (1002—18). Letztere verblieb zusammen mit dem Milzener Land (Oberlausitz) im Frieden von Bautzen vom 30. Januar 1018 bei Boleslaw. Im gleichen Jahr mischte sich der polnische Herrscher in die innerrussischen Thronwirren ein, die nach dem Tode Wladimirs des Heiligen unter den Söhnen ausgebrochen waren. Mit seinem Truppenaufmarsch vor Kiew erzwang Boleslaw die Rückkehr seines Schwiegersohnes Swjatopolk auf den großfürstlichen Thron. Auf dem Höhepunkt seiner Macht löste sich Boleslaw aus der Lehensabhängigkeit vom Reich und ließ sich 1025 die Königskrone aufsetzen. Unter seinem Sohn Mieszko II. war der ausgedehnte territoriale Besitzstand nicht mehr zu halten. Ein Präventivschlag der Polen gegen Meißen und Zeitz 1028 löste eine Gegenaktion unter den begehrlichen Nachbarn aus, die Mieszko 1031 unter anderem die Lausitz kostete und ihn außer Landes nach Böhmen trieb. Seine Gegner verhalfen dem älteren Bruder Bezprym zur Macht. Nur dessen vorzeitiger Tod ermöglichte Mieszko II. 1032 die Rückkehr. Auf dem Hoftag in Merseburg 1033 musste er allerdings vor Kaiser Konrad II. der Königswürde entsagen und einer Machtteilung mit seinen Anverwandten zustimmen.Krise und Erneuerung der KönigsherrschaftMieszkos II. Tod (1034) stürzte das Land in eine lang andauernde Krise. Eine heidnische Reaktion erschütterte die noch nicht gefestigte Stellung der Kirche, und die Eigeninteressen adliger Gefolgsleute schwächten die Autorität der Königsmacht. Der Mundschenk Maslaw schuf sich in Masowien einen eigenen Herrschaftsbereich. Pommern beanspruchte Knut II. von Dänemark für sich. Herzog Kasimir I. flüchtete 1037 vor dem Zorn des aufgehetzten Volkes nach Ungarn. Nur dank der massiven militärischen Unterstützung Heinrichs III. und seines Schwagers Jaroslaw von Kiew gewann er den Thron zurück. Als Gegenleistung hatte er dem Kaiser den Lehenseid zu leisten und im Streit mit dem Böhmenherzog Břetislaw den Schiedsspruch Heinrichs III. zu akzeptieren. Břetislaw hatte Schlesien an sich gerissen und die Gebeine des heiligen Adalbert aus Gnesen nach Prag entführt.Kasimir bemühte sich nicht ohne Erfolg um eine Stärkung der Zentralgewalt. 1047 half ihm Jaroslaw von Kiew bei der Niederwerfung Maslaws in Masowien. 1050 holte er sich Schlesien zurück und erhielt 1054 gegen Tributzahlungen an Böhmen die kaiserliche Bestätigung für diesen Gewaltakt. Kasimir trägt den Ehrentitel »der Erneuerer«. Er gebot dem drohenden Zerfall des Reiches und der Königsherrschaft Einhalt, ohne allerdings an die frühere Machtstellung anknüpfen und die territorialen Einbußen an den westlichen und östlichen Grenzen ausgleichen zu können.Seinem Sohn Boleslaw II., dem Kühnen, kamen in der Außenpolitik die Schwäche des deutschen Reiches und die bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen zu den russischen und ungarischen Nachbarn zugute. Deren andauernde Thronwirren boten ihm günstige Einwirkungsmöglichkeiten zugunsten der polnischen Sache. Während des Investiturstreites ermöglichte ihm der Wechsel auf die päpstliche Seite 1076 die Aufkündigung der Lehensabhängigkeit vom Reich und die Erneuerung des Königtums. Nur wenige Jahre später verscherzte er sich aber mit seinem unbeherrschten Vorgehen gegen den Krakauer Bischof Stanislaw, den er auf grausame Weise umbringen ließ, alle Sympathien im Lande; er musste vor einem Aufstand nach Ungarn fliehen.Sein Bruder Wladislaw I. Herman hatte es als Nachfolger im Herrscheramt seit 1079/81 nicht leicht, sich gegenüber den nach einer Machtbeteiligung drängenden Adelsgruppierungen und insbesondere den Machenschaften des selbstherrlichen Palatins Sieciech zu behaupten. Die zentrifugalen Kräfte fanden Rückhalt an den Repräsentanten innerdynastischer Konfliktparteien. Polen löste sich in getrennte Herrschaftsräume auf, die Boleslaw III. Schiefmaul (Krzywousty) nur mit Brachialgewalt wieder unter einem Zepter zusammenführen konnte. Dabei nahm er den Konflikt mit dem Kaiser und den ungarischen und böhmischen Nachbarn in Kauf. 1114 erreichte er die Einstellung der Tributzahlungen, die für Schlesien an Böhmen zu entrichten waren, musste aber 1135 auf dem Reichstag zu Merseburg die Lehenshoheit des Kaisers für Westpommern anerkennen. Der erbitterte Widerstand des pomoranischen Adels war zuvor in einem kräftezehrenden Kleinkrieg 1102 bis 1122 niedergerungen worden. Für das schwierige Missionswerk unter den Heiden gewann er Bischof Otto von Bamberg, der 1124/25 und 1128 auf zwei Missionsreisen als »Apostel der Pommern« wirkte.Die Zeit der TeilfürstenVor seinem Tode noch (1138) suchte Boleslaw III. weiteren Erbstreitigkeiten und Bruderkämpfen durch testamentarische Verfügung vorzubeugen. Er entschied sich nach russischem Vorbild für eine Thronfolgeregelung nach dem Senioratsprinzip. Diese wies dem ältesten Sohn, Wladislaw II., als Großfürsten die politische Führungsrolle im Gesamtstaat zu und überließ ihm auch die Verfügung über die neue Hauptstadt Krakau und wohl auch über die alte Krönungsstadt Gnesen. Allen übrigen Söhnen aber wurde — der jüngste, Kasimir, ausgenommen — ebenfalls ein größerer eigener Territorialbesitz zugestanden, der sich weitgehend mit den alten Stammesgebieten Schlesien, Masowien und Kujawien, Großpolen und dem östlichen und westlichen Kleinpolen deckte.Diese wohl gemeinte Begünstigung der nachgeborenen Söhne hatte wie im Kiewer Reich fatale politische Folgen. Sie führte sehr rasch zur weitgehenden Absonderung eigenständiger Herrschaftsbereiche unter teilfürstlichen Nebenlinien. Der Gedanke eines einheitlichen Staatswesens blieb nur noch innerhalb der polnischen Kirche erhalten. In dem anhaltenden erbitterten Streit um das Seniorat, der Wladislaw schließlich 1146 zur Flucht in das Reich trieb, meldeten sich die Adelsvertreter der Teilregionen immer energischer mit eigener Stimme zu Wort. Wiederholte Hilfeersuchen einzelner Prätendenten veranlassten die Anrainer und insbesondere den früheren Lehensherrn, den Kaiser, zu militärischen Interventionen. Sowohl Konrad III. wie Friedrich I. Barbarossa konnten so als Gegenleistung für ihre Waffenhilfe nochmals die Erneuerung des Treueeides einfordern. Um das Chaos der Fürstenfehden zu beenden, suchte Herzog Kasimir II., der Gerechte, nach einer Radikallösung. 1177 entriss er seinem älteren Bruder die Großfürstenwürde. 1180 ließ er auf dem Tag zu Łęczyca von den versammelten Bischöfen, deren Wohlwollen er durch Zugeständnisse erkauft hatte, und dem kleinpolnischen Adel die Aufhebung des Seniorats sanktionieren und sich und seiner Familie den Besitz des Senioratsgebietes und Krakaus bestätigen. 1184 erreichte er auch die Zustimmung des Kaisers.Damit war der Weg frei für machtpolitische Umgruppierungen, aus denen sich drei geschlossene Länderkomplexe piastischer Familienherrschaften herausbildeten: Schlesien, Großpolen und das zunächst mit Masowien und Kujawien verbundene Kleinpolen. Die Neuregelung förderte das Eigenleben in den teilfürstlichen Herrschaftsbereichen und begünstigte zentrifugale Kräfte, die die Einheit des polnischen Staatswesens in seinem bisherigen territorialen Bestand ernsthaft gefährdeten.Pommern war unter Herzog Bogislaw I. von Stettin 1181 Reichslehen geworden. Pommerellen (Ostpommern) hatte sich unter den Samboriden aus großpolnischer Abhängigkeit gelöst. In Preußen schuf sich der Deutsche Ritterorden, den Herzog Konrad I. von Masowien und Kujawien 1226 gegen die heidnischen Prußen in das Culmer Land gerufen hatte, eine eigenständige Machtbasis und entzog sich der landesherrlichen Verfügung. 1234 nahm Papst Gregor IX. den Ordensstaat in den Schutz des heiligen Petrus. Seit der Besetzung Pommerellens und Danzigs 1308 lebte er in einem Dauerkonflikt mit dem polnischen Nachbarn.Landesausbau und KolonisationDie Verwendung des Namens »Polen« blieb im 13. Jahrhundert auf das großpolnische Territorium beschränkt. Die schlesischen Piasten verzichteten nach dem Mongoleneinfall 1241 auf ihre bisherigen gesamtstaatlichen Ambitionen und wandten sich auch in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen dem Reich bzw. Böhmen zu. Herzog Heinrich II., der Fromme, hatte zusammen mit zahlreichen schlesischen und großpolnischen Rittern in der Schlacht bei Liegnitz am 9. April 1241 sein Leben lassen müssen. Das Aufgebot des kleinpolnischen Adels war zuvor schon bei Chmielnik südlich von Kielce von den Tataren aufgerieben worden.Die abziehenden Tataren hinterließen ein verwüstetes Land. Am Wiederaufbau beteiligten sich zahlreiche ausländische Helfer, vornehmlich deutsche Bauern und Bürger, die von den Herzögen, den Klöstern und den Magnaten angeworben und nach deutschem Recht angesiedelt wurden. Mit ihrer freiheitlicheren Ordnung, ihren Selbstverwaltungseinrichtungen und korporativen Zusammenschlüssen, den agrartechnischen Neuerungen und den entwickelteren handwerklichen Fähigkeiten vermittelten sie dem planmäßigen hochmittelalterlichen Landesausbau neue Impulse. Schon Herzog Heinrich I., der mit Hedwig von Andechs-Meranien, der Heiligen Schlesiens, verheiratet war, hatte zu Beginn des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler ins Land geholt. Deutschrechtliche Stadtgründungen breiteten sich seit dem 13. Jahrhundert über Niederschlesien, Westpolen und Preußen nach Groß- und Kleinpolen aus und erreichten in Ausläufern den westrussischen Raum. Mit ihnen verbreitete sich deutscher Kaufmannsgeist in Ostmitteleuropa. In alten Städten Polens wie Krakau, Breslau, Posen und Danzig gewann eine deutschstämmige Bürgerschaft einen beherrschenden Einfluss auf das Stadtregiment. Sie wurde zum Träger händlerischer und handwerklicher Aktivitäten und verstärkte die kulturellen Verbindungen der polnischen Kronländer nach Westeuropa.Der NeubeginnDie größte Gefahr für die in zahlreiche Seitenlinien aufgesplitterten Piasten drohte zu Ende des 13. Jahrhunderts vom böhmischen Nachbarn. König Wenzel II. hatte seit 1289 über erbvertraglich abgesicherte Ansprüche in Oberschlesien Fuß gefasst und 1291 Krakau hinzugewonnen. 1300 rückten seine Truppen in Großpolen und Pommerellen ein. Eine einflussreiche Gruppierung geistlicher und weltlicher Würdenträger betrieb seine Wahl zum polnischen König. Die Krönung vollzog der Erzbischof von Gnesen. Wenzel II., der gleichzeitig seine Hand nach Ungarn ausstreckte und 1302 seinem Sohn die ungarische Krone aufsetzen ließ, nahm seinen polnischen Besitz vom deutschen König Albrecht I. zu Lehen.Die Herrschaft der landfremden Přemysliden blieb in Polen Episode. Der jugendliche König Wenzel III. überlebte seinen Vater nur um ein Jahr. 1306 fiel er in Olmütz einem Mordanschlag zum Opfer. Mit ihm starben die Přemysliden im Mannesstamm aus. Ihre Hausmachtpolitik weckte in Polen unter den zerstrittenen Teilherzögen patriotische Gefühle und ließ den Wunsch nach einer nationalen Lösung wieder lebendig werden. Zu ihrem Wegbereiter wurde Wladislaw I. Łokietek (»Ellenlang«), der Herzog von Sieradz aus der kujawischen Linie der Piasten. Er hatte erheblichen Widerstand in den Teilregionen und seitens der deutschen Bürger Krakaus und Posens niederzukämpfen, bis er schließlich den Partikularismus überwinden und die großpolnischen, kleinpolnischen und kujawischen Teilherrschaften wieder unter einem Zepter zusammenführen konnte. Nur auf die Einbeziehung Schlesiens, Masowiens und Pommerellens musste er verzichten. Am 20. Januar 1320 schloss die Königskrönung Wladislaws das Einigungswerk ab.Zu den erbittertsten Widersachern des neuen polnischen Königs zählten der Deutsche Orden und der böhmische König. Alle Versuche, den Deutschen Orden in einem langwierigen Prozessverfahren vor dem Heiligen Stuhl zur Herausgabe Pommerellens zu zwingen, scheiterten. König Johann der Blinde von Böhmen meldete eigene Thronrechte an. 1327 ließ er die schlesischen Herzöge ihren Lehenseid erneuern. Böhmische Truppen besetzten das Dobriner Land und bedrohten im Zusammenspiel mit dem Deutschen Orden Masowien und Kujawien, das 1332 von den Ordensrittern erobert wurde. Der Sohn Wladislaws, König Kasimir III., der Große, zog der andauernden militärischen Konfrontation eine diplomatische Verständigung vor. Im Präliminarvertrag von Trentschin und auf dem Fürstentreffen in Visegrád 1335 einigte er sich mit Johann von Böhmen auf eine stillschweigende Anerkennung des territorialen Besitzstandes. Gegen den förmlichen polnischen Verzicht auf Schlesien 1339 gab der Luxemburger seine Thronansprüche in Polen auf. Den Kriegszustand mit dem Deutschen Orden beendete Kasimir im Frieden von Kalisch 1343. Er brachte ihm Kujawien und das Dobriner Land zurück, dafür musste er Pommerellen, das Culmer Land und die Michelau dem Orden überlassen. Zuvor schon hatte er 1340 mit ungarischer Hilfe eine erfolgreiche Südostexpansion eingeleitet. Aus der Erbmasse des südwestrussischen Fürstentums Galitsch-Wolhynien brachte er Gebiete am Oberlauf von San, Westlichem Bug und Dnjester (Rotreußen, das spätere Ostgalizien) mit Lemberg und Přzemysl an sich und verteidigte sie hartnäckig gegen Litauen. 1351 gewann er die von Böhmen beanspruchte Oberhoheit über Masowien zurück.Kasimir III. stabilisierte in einer krisenhaften Zeit die piastische Königsherrschaft in Polen und betrieb eine erfolgreiche Arrondierungspolitik. Mit seinem Namen sind wichtige Weichenstellungen in der polnischen Geschichte verbunden. 1364 gründete er mit päpstlichem Privileg die Krakauer Universität und öffnete sein Land dem wissenschaftlichen Diskurs. Als Gesetzgeber unternahm er ernsthafte Anstrengungen, die notwendige Rechtsvereinheitlichung in den einzelnen Landesteilen zu fördern. Seine Fürsorge um die unteren Bevölkerungsschichten trug ihm den Ruf eines Bauernkönigs ein. 1353 sah er sich erstmals in der polnischen Geschichte mit einer Konföderation des unzufriedenen großpolnischen Adels konfrontiert. Das Auftreten der Adelsvertreter zeigte an, dass sich aus der polnischen Adelsgenossenschaft, der Schlachta (polnisch szlachta, »Geschlecht«), ein abgeschlossener Stand mit einem ausgeprägten Eigenbewusstsein zu entwickeln begann. Dieser verstand sich immer mehr als die eigentliche polnische Nation und sollte in der Folgezeit zum großen Gegenspieler der Königsmacht werden.Adel und KönigsmachtIn der Nachfolgefrage hatte Kasimir rechtzeitig durch eine Erbverbrüderung mit den ungarischen Anjou vorgesorgt. Der Ausschluss einer weiblichen Erbfolge musste allerdings im Privileg von Buda 1355 vom Adel durch die Zusage erkauft werden, künftig keine Sondersteuern zu erheben und die grundsätzliche Wahlfreiheit bei der Königskür anzuerkennen. Als Kasimir 1370 starb, rückte der ungarische König Ludwig I. nach, der selbst ohne männliche Erben war. Der Übergang vollzog sich aber nicht problemlos. Ludwig verwaltete Polen nur als Nebenland und konnte Interessenkollisionen mit seiner Stellung in Ungarn nicht ausschließen. Der Ruf nach einer einheimischen Dynastie wurde in den unzufriedenen Adelskreisen laut. Um die Nachfolge seiner Tochter zu sichern, bestätigte Ludwig im Kaschauer Privileg 1374 die Privilegienzusagen und das Mitspracherecht des Adels bei künftigen Königswahlen. Die Adelsvertreter setzten in langwierigen Verhandlungen mit der Witwe Ludwigs in Buda die dauernde Anwesenheit der Thronfolgerin in Polen durch. Die ungarische Königstochter Hedwig (polnisch Jadwiga) wurde 1384 in Krakau gekrönt. Auf Drängen des Adels gab sie 1386 ihre Zustimmung zu der folgenreichen ehelichen Verbindung mit dem heidnischen Litauerfürsten Jagiełło.Durch die dynastische Verbindung mit Litauen veränderte das piastische Polen völlig sein Gesicht. Die Jagiellonenherrschaft erschloss der katholischen polnischen Kirche im Osten ein riesiges Missionsgebiet und festigte den Anspruch Polens, Bollwerk des Christentums zu sein. Das vereinigte Polen-Litauen wurde zu einem raumbeherrschenden ostmitteleuropäischen Großreich und zu einem Vielvölkerstaat auf föderativer Grundlage.Prof. Dr. Edgar HöschWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Polen-Litauen (1385 bis 1572): Ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen MeerCyrillo-methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums bei den Slaven 863-1963, herausgegeben von Manfred Hellmann u. a. Köln u. a. 1964.Halecki, Oskar: Grenzraum des Abendlandes. Eine Geschichte Ostmitteleuropas. Aus dem Amerikanischen. Salzburg 1956.Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens. Stuttgart 21990.Lübke, Christian: Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder. (Vom Jahr 900 an). 5 Teile. Berlin 1984-88.Rhode, Gotthold: Geschichte Polens. Darmstadt 31980.
Universal-Lexikon. 2012.